Eigentlich ist dieser Honda ein Siegerauto, wahrscheinlich auch DAS Siegerauto 2021:
Das ist der Rennwagen von Max Verstappen und Sergio PĂ©rez vom Formel1-Rennstall Red Bull Racing.
Ein sehr gutes Auto, erneut viel besser als Ferrari dieses Jahr, oft auch besser als Mercedes. Bis zum allerletzten Rennen auf Augenhöhe. FĂŒr JPCARS-Fans klar, denn es ist ein Honda! ^^
Es gibt nur ein Problem: wurde dieses Auto zum Siegerauto gemacht oder nicht?
Die Kontroverse dreht sich um das allerletzte Rennen in Abu Dhabi am letzten Sonntag. Vor dem 22. und letzten Grand Prix waren die Fahrer Verstappen und Hamilton punktetechnisch gleichauf – so etwas hatte es in der Formel1 in der gesamten Geschichte nur zwei Mal gegeben, das erste Mal 1974. Und eben jetzt wieder 2021.
Was war passiert?
In einer der letzten Runden gab es einen schweren Crash von Nicholas Latifi vom Team Williams. Weil die Strecke gerĂ€umt und sauber gemacht werden musste, gab es natĂŒrlich auch eine Safetycar-Phase, in welcher sich das Feld zwar nicht neu ordnen darf, die AbstĂ€nde fĂŒr die Dauer der Safetycar-Phase zwischen den Fahrzeugen jedoch kleiner wird fĂŒr eine bestimmte Zeit. Zwischen dem bis dato FĂŒhrenden Lewis Hamilton und dem zweiten Max Verstappen waren folgende ĂŒberrundete Fahrer zu finden: Lando Norris, Fernando Alonso, Esteban Ocon, Charles Leclerc und Sebastian Vettel. Immer gut fĂŒr einen FĂŒhrenden Fahrzeuge als Puffer zu haben. Ab hier dreht sich alles um Kommunikation der Rennleitung und das Regelwerk.
Das Regelwerk der FIA ist recht eindeutig, es kann auch als PDF kostenlos heruntergeladen werden: https://fia.com/sites/default/files/2021_formula_1_sporting_regulations_-_iss_13_-_2021-12-08.pdf. Relevant fĂŒr die allerletzten Runden des Rennens wird jetzt Paragraf 48 und alle Unterpunkte hier, alles zum Thema Safetycar.
Die Sachlage hier ist eigentlich eindeutig. Wenn von der Rennleitung ĂŒber Funk kommuniziert wurde „LAPPED CARS MAY NOW OVERTAKE“, dĂŒrfen ĂŒberrundete Wagen die fĂŒhrenden Wagen ĂŒberholen. Wenn hingegen kommuniziert wurde „OVERTAKING WILL NOT BE PERMITTED“ (etwa weil der Unfall zu schwerwiegend war) darf dies nicht passieren. Was wurde denn nun genau kommuniziert?
Man kann bei den Fahrern nachfragen, die Antworten finden sich hier:
„Sometimes they let you go, sometimes they don’t. It’s just 50/50 half the time. But they said that they’re not gonna let us pass. So I’m guessing that was a message to say, they were just not going to let us pass at all. But then to suddenly do it just for the final lap, and for a one lap shootout, then I’m a bit surprised.“ – Lando Norris
„When the safety car was out I thought we were able to overtake quickly, because normally it is what happens,“ said Alonso. „You see the green light of the safety car, and then you are unlapping yourself until they remove the car. But we didnât have that green signal, and then two laps after the engineer told me that you will not be able to unlap yourself, and the positions would stay like this. One corner later the green light came on and I said, âBut we have a green light?.â And they said âYeah, yeah, you can do it now, follow Norris.â And I followed Norris. So it was a little bit confusing, probably.“ – Fernando Alonso
„We could overtake the leaders I think for just like a lap before restarting, and we were in the middle of nowhere. I was just fighting for the ninth place with Esteban, I think, just in front. But first I was told I would not be able to unlap myself, at the end at the last moment we actually had the opportunity to unlap ourselves. So yeah, it was a bit of a strange one.“ – Esteban Ocon
Vettel said he got the message late: „Very late, but I think too late, they should let us pass straight away like other times,“ said the German. – Sebastian Vettel
„So I’ve literally got front row seats for the last lap. And I’m also on a new soft, or a newer soft, so I was like, ‚Do I pass both of them?‘ Nah, just kidding. I’m honestly a bit speechless, I don’t know what to make of that. I really don’t. I need to see how it all came about.“ – Daniel Ricciardo
„At the beginning I was told they were not going to be allowed to unlap themselves, the people in front of me. Then it was decided to unlap themselves, and some people unlapped themselves, but there was still, I think it was an Aston Martin and a McLaren of [Daniel] Ricciardo, between the two leaders and myself. And this Iâve never had before, having to restart the race with these two guys in front of me, and while fighting for a P3. So I do believe it was a strange one, and maybe something to look at because it was very strange to see, and it nearly cost me my podium, to be honest“ – Carlos Sainz (3. Platz)
Bis auf Ricciardo, der sich ein bisschen einen SpaĂ aus der Situation macht, sagen alle relevanten „Pufferfahrer“, sie haben die Anweisung bekommen OVERTAKING WILL NOT BE PERMITTED. Die Erwartungshaltung bei erfahrenen Fahrern wie Vettel und Alonso ist allerdings, lieber nicht, LAPPED CARS MAY NOW OVERTAKE hĂ€tte viel frĂŒher angesagt werden sollen.
Zwischen „hĂ€tte“ und der Tatsache was genau kommuniziert wurde liegen Welten, ĂŒberhaupt im allerletzten Rennen einer F1-Saison, wie hier gesehen. Die Anweisung OVERTAKING WILL NOT BE PERMITTED wurde also in der letzten Runde gebrochen. ZulĂ€ssig, aber unsportlich. Ein gesamtes Formel1-Jahr in nur einer einzigen Runde entscheiden zu lassen ist meiner Meinung nach zu wenig. Auch wenn das wohl niemand gerne hören will: das Rennen mit dem Safetycar beenden wĂ€re wahrscheinlich richtig gewesen. Oder, wenn es noch zu einem Showdown kommen soll, gebt den FĂŒhrenden mehr als eine Runde fĂŒr einen einigermaĂen regulĂ€ren Rennabschluss! DafĂŒr hĂ€tten aber die Pufferfahrer frĂŒher ĂŒberholen mĂŒssen. Was nicht passierte.
Unfair oder nicht: ich nehme an, dass es beim Siegerauto fĂŒr 2021 bleibt. Gut fĂŒr Honda! Und damit hat Europa seit langer Zeit mal wieder einen F1-Weltmeister.
Max Verstappen fuhr eine extrem gute, knallharte Saison, auch seine allerletzte Runde war mehr als beachtlich. WĂ€re ich die Rennleitung gewesen, auch ich hĂ€tte den Zweikampf zugelassen. FĂŒr mich war das Safetycar allerdings zu lange drauĂen.